Zu einer mündigen Demokratie gehört Faktenwissen. Denn Fakten sind die Grundlage für den Austausch über Politik. Wir wollen in diesem Faktencheck AfD-Positionen auf ihre inhaltlichen Aussagen hin überprüfen und Widersprüche offenlegen. Die jeweiligen AfD-Positionen sind verlinkt, so dass diese leicht überprüft werden können:
Die AfD will den Abschied vom Euro und droht mit einem EU-Austritt Deutschlands. Das würde die deutsche Wirtschaft ruinieren und Massenarbeitslosigkeit schaffen.
Deutschland hat vom EU-Binnenmarkt mit offenen Grenzen so stark gewonnen, wie keine andere Nation. Obwohl Großbritannien nie Mitglied des Euros war, wurde die britische Wirtschaftsleistung durch den Brexit um sechs Prozent geschwächt. In Deutschland wäre die Auswirkung eines „Dexits“ noch stärker: Studien rechnen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 10% nach zehn bis fünfzehn Jahren. Das wären Tausende Euro weniger Einkommen pro Bürger. Schon nach fünf Jahren wird dadurch mit einem Verlust von über 2,3 Millionen Arbeitsplätzen gerechnet.
Ihre EU-Kritik begründet die AfD vor allem völkisch-nationalistisch: ein Gebilde wie die EU habe laut AfD-Europawahlprogramm kein „Staatsvolk“ und es fehle das „Mindestmaß an kultureller Identität“ – dass auch Deutschland aus zersplitterten Kleinstaaten, Fürstentümern, konkurrierenden Monarchien und Staatenbünden hervorgegangen ist, ignoriert sie dabei. Eine „deutsche Identität“ hat sich erst viel später angefangen zu bilden – so wie sich heute eine europäische Identität beginnt zu bilden.
Quellennachweise
- AfD-Europawahlprogramm 2024, Seiten 8-11
- Die AfD steuert Deutschland in eine Massenarbeitslosigkeit, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
- Die Dexit-Pläne der AfD sind ein Garantierezept für unseren wirtschaftlichen Niedergang, Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
- Dexit würde 690 Milliarden Euro kosten, Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
- Ökonomen kritisieren D-Mark-Pläne der AfD, u.a. Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Handelsblatt
Die AfD will die Freiheit von Frauen deutlich einschränken – die große Mehrheit der AfD sind Männer.
Laut dem AfD-Europawahlprogramm sollen Schwangerschaftsabbrüche wieder verboten werden – ausschließlich Vergewaltigungen, Lebensgefahr für die Schwangere oder schwerwiegende psychische Folgen dürfen nach Vorstellung der AfD Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sein.
In anderen Ländern, wo Schwangerschaftsabbrüche verboten sind, hat sich gezeigt, dass dort sehr viele Abtreibungen illegal durchgeführt werden: unter schlechten hygienischen Bedingungen und ohne der Möglichkeit zur medizinischen Aufklärung. Weltweit sterben jährlich zigtausende Frauen wegen illegaler Abtreibungen.
Besonders bezeichnend: 80% der AfD-Mitglieder sind männlich. Auch auf der AfD-Liste zur Europawahl ist der Frauenanteil nur 20%. Keine andere Partei hat einen so niedrigen Frauenanteil wie die AfD.
Quellennachweise
- AfD-Europawahlprogramm 2024, Seiten 47
- Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch: Medizinische oder kriminologische Gründe, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Illegale Abtreibungen und ihre Folgen, SWR 2 Wissen
- Unerwünschte Kinder haben mehr Angst, Spiegel Wissenschaft
- Anteil der Frauen an den Mitgliedern der politischen Parteien in Deutschland am 31. Dezember 2021, Statista
- Kandidierende in Deutschland bei der Europawahl 2024, Landeszentrale für politische Bildung
Baden-Württemberg
Die AfD will dem Klimawandel freien Lauf lassen – das würde auch in Deutschland zu immer häufigerem Extremwetter und höheren Mieten führen.
Der CO2-Ausstoß der Industrieländer hat in den letzten Jahrzehnten den Klimawandel dramatisch beschleunigt. Deutschland gehört nach wie vor zu den größten CO2-Produzenten der Welt: Die EU ist nach China und den USA die größte CO2-Produzentin, und Deutschland ist mit Abstand der größte CO2-Produzent der EU. Trotzdem behauptet die AfD in ihrem Europawahlprogramm, dass „alle diese Maßnahmen auf das Weltklima keinen Einfluss“ hätten.
Der Weltklimarat bezeichnet es als „definitive Tatsache“, dass der derzeitige Klimawandel menschengemacht ist: die Geschwindigkeit vieler Änderungen im Klimasystem nimmt demnach immer weiter zu. Die AfD fordert trotzdem die „Abschaffung aller Klimaschutzgesetze“ und will die „Kohleverstromung (inkl. Braunkohle) erhalten“.
Dabei warnt der Weltklimarat, dass der Klimawandel schon jetzt zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen geführt hat. Auch in Deutschland müsse man sich daher auf weitere Naturkatastrophen wie Überflutungen, Stürme, Hagel, Tornados und Dürre einstellen. Die deutschen Versicherungsunternehmen warnen daher vor den finanziellen Folgen des Klimawandels für Hausbesitzer, aber auch für Mieter.
Quellennachweise:
- AfD-Europawahlprogramm, Seiten 8 und 42
- Treibhausgasemissionen nach Ländern und Sektoren, Europäisches Parlament
- Klimawandel – Ursachen und Folgen, Welthungerhilfe
- Klimaschäden könnten zu Verdoppelung der Prämien in der Wohngebäudeversicherung führen, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
Wie kommt es, dass so viele Menschen trotz dieser Widersprüche bei Wahlen für die AfD stimmen?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat dies in der Studie „Das AfD-Paradox: Die Hauptleidtragenden der AfD-Politik wären ihre eigenen Wähler*innen (2023, PDF)“ untersucht. Die Studie begründet dieses Wahlverhalten mit einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Wähler und mit deren Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität.